In der Lerntherapie arbeite ich in der Regel einmal wöchentlich für 45 Minuten mit einem Kind oder Jugendlichen an bestehenden Schwierigkeiten. Im Vergleich zur Gesamtstundenzahl in der Schule oder der Zeit, die das Kind in der Familie verbringt, ist das ziemlich wenig. Lerntherapie ist daher am erfolgreichsten, wenn Kinder, Lerntherapeuten, Eltern und Lehrkräfte zusammenarbeiten und gemeinsam Ziele verfolgen.
Viele Eltern sind unsicher, wie sie ihr Kind während einer Lerntherapie am besten begleiten sollen: Sollten wir zu Hause zusätzlich üben? Wie helfe ich, ohne Druck aufzubauen? Wie kann ich die Arbeit in der Schule unterstützen? Eltern können sehr viel tun, indem sie eine lernförderliche Umgebung schaffen und den Lernprozess ihres Kindes wertschätzend begleiten. In diesem Blogartikel habe ich dir 33 konkrete Tipps zusammengestellt, wie du dein Kind sinnvoll unterstützen kannst.
Emotionale Unterstützung
- Nimm die Schwierigkeiten deines Kindes ernst: Auch wenn es für dich einfach ist, Matheaufgaben zu lösen oder Texte zu lesen, für dein Kind ist es das im Moment nicht. Lass dein Kind spüren, dass du seine Probleme verstehst und nicht kleinredest.
- Lobe gezielt auch ganz kleine Fortschritte. Manchmal ist es nicht so einfach, diese zu sehen, weil man den Blick auf ein weiter entfernt liegendes Ziel (z.B. flüssig lesen können) lenkt. Zeige deinem Kind die kleinen Fortschritte, z.B. mit einer Erfolgsliste. Dadurch wird sichtbar, was dein Kind alles schon geschafft hat und steigert so die Motivation, sich weiter mit dem schwierigen Lernbereich zu beschäftigen.
- Wie wir selbst mit Fehlern umgehen, hat eine wichtige Vorbildfunktion. Erinnere dein Kind daran, dass Fehler zum Lernen dazugehören und zeige das auch, wenn du selbst mal einen Fehler machst. Vielleicht lohnt es sich auch einmal nachzuforschen, welche Erfindungen überhaupt nur durch einen Fehler entstanden sind.
- Vertraue in den Lernprozess deines Kindes und signalisiere Geduld, auch wenn es länger dauert – Gelassenheit überträgt sich.
- Bleibe zuversichtlich! Kinder spüren schnell, ob Eltern Hoffnung haben. Solltest du unsicher sein, ob der Weg der richtige ist, suche das Gespräch mit eurer Lerntherapeutin. Sie wird aufzeigen können, wie es weitergehen kann.
- Vermeide Wörter, die Druck erzeugen, wie „immer“, „nie“, „endlich“, denn sie wirken entmutigend. Zeige auch in deiner Sprache, dass du Intelligenz und Fähigkeiten nicht als feststehend siehst, sondern als etwas das entwicklungsfähig ist: Das kannst du NOCH nicht, aber du wirst es lernen (Growth Mindset).
- Zeige Freude am gemeinsamen Tun und lobe den Einsatz, nicht das Ergebnis.
- Schaffe eine positive Lernumgebung und einen ruhigen Arbeitsplatz, der frei von Ablenkungen ist. Überlegt gemeinsam, wie der Lernplatz am besten gestaltet werden sollte.
- Plane feste Rituale rund um die Lerntherapie. Die Lerntherapie findet in der Regel immer zur gleichen Zeit statt. Überlegt gemeinsam, wie eine kleine Routine davor oder danach aussehen könnte.
- Halte die Lerntherapie-Termine konsequent ein, sie sind nicht verhandelbar und haben Vorrang vor anderen Aktivitäten. Das vermittelt Verbindlichkeit und macht die Bedeutung der Lerntherapie klar.
- Plane gemeinsame Übungsphasen in den Alltag ein. Achte dabei aber auf regelmäßige Pausen, statt Marathon-Sitzungen durchzuführen.
- Achte auf eine abwechselnde Alltagsgestaltung, die dein Kind umfassend fördert. Konzentration braucht Pausen für Körper und Kopf: Warum dich Pausen beim Lernen schneller weiterbringen
- Lies deinem Kind regelmäßig vor, auch wenn es selbst schon liest – das nimmt den Druck, fördert das Sprachgefühl und verschafft euch eine schöne Zeit gemeinsam.
- Gestalte kleine Übungseinheiten spielerisch bzw. verwende passende Gesellschaftsspiele. Eine Übersicht der Lieblingsspiele meiner Schüler findest du hier.
- Auch wenn es nicht immer einfach ist: Vermeide Vergleiche mit Geschwistern oder Klassenkameraden, denn jedes Kind ist anders und hat sein eigenes Tempo.
- Sorge für ausreichend Schlaf – Erholung ist entscheidend für Lernprozesse. Im Schlaf verarbeitet unser Gehirn Gelerntes und sorgt dafür, dass es an entsprechender Stelle abgespeichert wird.
Zusammenarbeit mit Fachleuten
- Halte Kontakt zur Lerntherapeutin und tausche dich regelmäßig über den Lernfortschritt aus. Kurze Rückmeldungen helfen dabei den Lernprozess deines Kindes zu unterstützen. So ist es für das gemeinsame Arbeiten sehr hilfreich, wenn die Lerntherapeutin auch über Besonderheiten aus dem Alltag informiert wird.
- Frage nach sinnvollen Übungen für zu Hause, anstatt selbst welche auszuwählen. Ich gebe meinen Schülern regelmäßig Hausübungen mit. Diese sind dann auf den jeweiligen Lernstand abgestimmt und ermöglichen es, den neuen Lerninhalt auch zuhause zu üben und somit zu festigen. Kinder, die regelmäßig den Stoff der Lerntherapie zuhause üben, kommen schneller voran.
- Informiere die Lehrkraft, wenn dein Kind eine Lerntherapie beginnt, so können Schule und Therapie besser zusammenarbeiten. Ich tausche mich auch mit vielen Lehrkräften über die Lerntherapie aus. Das verbessert das Verständnis auf beiden Seiten: Ich erfahre etwas über mögliche Umsetzungsschwierigkeiten in der Schule und die Lehrkraft weiß genau, was sie vom Schüler erwarten und einfordern kann und was eben noch nicht geht.
- Kläre Fragen lieber direkt, statt Ratschläge von allen Seiten aufzunehmen oder das Internet danach zu durchforsten. Die Lerntherapeutin deines Kindes ist dir immer ein verlässlicher Ansprechpartner.
- Vertraue auf die Expertise der Lerntherapeutin – du musst nicht selbst alles wissen. Als Lerntherapeutin verfüge ich über eine gute Qualifikation und viel Erfahrung in meinem Themengebiet. Das ist zugleich ein Qualitätskriterium, um eine gute Lerntherapeutin auszuwählen. Susanne Seyfried hat dazu 12 Tipps zusammengestellt Lerntherapeut finden – ich zeig dir wie.
- Sei offen für Empfehlungen, auch wenn sie vom gewohnten Schulweg abweichen. Lerntherapie ist immer individuell und unterscheidet sich daher oft deutlich vom Schulstoff. Es macht ja auch keinen Sinn, mittags das zu wiederholen, was morgens schon nicht klappt. Ich arbeite mit meinen Schülern in der Regel an Basiskompetenzen und verwende oft andere Materialien als in der Schule.
Haltung und Einstellung
- Sieh Lerntherapie als Prozess, nicht als schnelle Lösung, denn Fortschritte brauchen Zeit. In der Regel liegen die Schwierigkeiten in den Basiskompetenzen. Es sind also ganz grundlegende Schwierigkeiten, die vielleicht in die erste oder zweite Klasse zurückgehen. Diese müssen erst aufgearbeitet werden, bevor weiteres Wissen darauf aufbauen kann. Wenn also ein Schüler in der 4. Klasse zu mir kommt, müssen wir in der Regel mindestens 3 Schuljahre aufarbeiten – das dauert!
- Formuliere realistische Ziele, die erreichbar sind und feiere mit deinem Kind jeden kleinen Fortschritt!
- Vermeide Druck vor Tests oder Klassenarbeiten. Auch wenn dein Kind in der Lerntherapie tolle Fortschritte macht, wirkt sich das in der Regel erstmal nicht auf den Schulerfolg aus. Es dauert, bis das Fundament des Lernens geschaffen ist und der Schulstoff daran anknüpfen kann. Lerntherapie ist auch nicht dafür da, dein Kind auf eine Klassenarbeit vorzubereiten, sondern um wichtige Grundlagen des Lernens zu schaffen.
- Halte den Alltag vielfältig, damit Lernen nicht das einzige Thema ist. Lerntherapie und schulische Anforderungen können für das Kind und die ganze Familie anstrengend sein. Plane bewusst Zeiten ein, in denen dein Kind einfach Kind sein darf – ohne Lernziele oder Erwartungen.
- Sprich mit deinem Kind über Stärken, nicht nur über Schwächen. Schaffe Räume, in denen dein Kind seine Stärken zeigen kann und so Erfolg erfährt.
- Bleib gelassen bei Rückschlägen, denn Fortschritt verläuft selten linear. Vielmehr kannst du dir das Vorwärtskommen in einer Art Schlangenlinie vorstellen, die zwar beständig ansteigt, manchmal aber Rückschritte erfolgen.
- Behandle Lernen nie als Strafe und versuche Lernen möglichst positiv zu gestalten. Mach deinem Kind deutlich, dass Lernen mehr ist als Schule und wir auch im Alltag immer dazulernen.
Eltern stärken sich selbst
- Reflektiere deine eigenen Sorgen und suche dir Gesprächspartner. Druck entsteht oft durch elterliche Angst. Da hilft ein Blick von außen, um Dinge wieder gelassener sehen zu können.
- Suche den Austausch mit anderen Eltern, die ähnliche Erfahrungen machen. dazu gibt es zahlreiche Online-Gruppen, aber auch Selbsthilfegruppen vor Ort oder einfach andere Eltern aus der gleichen Schulklasse, mit denen du in Kontakt stehst. In der Regel sitzen in jeder Klasse 1-2 oder auch mehr Kinder, die von einer Lernstörung betroffen sind.
- Erinnere dich daran, dass auch du als Elternteil Pausen brauchst. Nur wenn es dir gut geht, kannst du dein Kind optimal unterstützen.
- Vertraue in den Prozess – dein Kind lernt Schritt für Schritt, auch wenn du es nicht jeden Tag siehst.
Lerntherapie ist ein gemeinsamer Weg
Dein Kind braucht nicht nur die Unterstützung der Lerntherapeutin, sondern auch deine Geduld, dein Vertrauen und deine Liebe. Jeder kleine Schritt zählt, und jeder Fortschritt ist ein Erfolg – auch wenn er manchmal unsichtbar scheint. Unterstütze dein Kind dabei, dranzubleiben und zeige ihm, dass es wertvoll ist und mit dem entsprechenden Einsatz alles schaffen kann.
Falls du Fragen hast, wie du dein Kind bestmöglich unterstützen kannst, kannst du dir hier ein Beratungsgespräch buchen.