Lerntherapie ist dann erfolgreich, wenn sie gezielt auf die individuellen Übungsschwerpunkte der Schülerinnen und Schüler eingeht. Dafür ist eine sorgfältige Eingangsdiagnostik wichtig, um festzustellen, was das Kind schon kann und in welchen Bereichen noch Förderbedarf besteht. Häufig liegen die Förderschwerpunkte weit unterhalb des aktuellen Schulstoffs, und es sind Basiskompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen betroffen. Diese müssen erst gefestigt werden, bevor der Schulstoff überhaupt verstanden werden kann. Deshalb wirken sich Fortschritte in der Lerntherapie nur selten direkt auf schulische Noten aus, was es für Schülerinnen und Eltern schwierig macht, kleine Lernerfolge zu erkennen.
Um die Motivation aufrechtzuerhalten, ist eine kontinuierliche Lernverlaufsdiagnostik wichtig. Diese dokumentiert die Fortschritte in einem Übungsbereich und zeigt, wie sich die Leistungen im Vergleich zur vorherigen Messung verändert haben.
Die Erfolgsliste ist ein effektives Werkzeug, um den Fortschritt von Schülerinnen und Schülern zu dokumentieren. Sie lenkt den Fokus weg von Fehlern hin auf erreichte Erfolge, indem aktuelle Leistungen mit früheren verglichen werden. Dies hilft, den Lernprozess besser zu verstehen und die Motivation für das Üben aufrechtzuerhalten.
Fortschritte dokumentieren mit der Erfolgsliste
Anstatt den Fokus auf Fehler zu legen, kehrt die Erfolgsliste die Perspektive um: Wie im Sport wird hier nicht gemessen, was nicht klappt, sondern wie sich die aktuellen Leistungen im Vergleich zu früheren entwickelt haben. Die Erfolgsliste dokumentiert Ergebnisse in spezifischen Bereichen, in denen Automatisierung angestrebt wird, wie z.B. das 1×1, Zahlzerlegungen bis 10 oder die Lesegeschwindigkeit. Gemessen wird, wie viele Aufgaben in einer bestimmten Zeit richtig gelöst oder wie viele Wörter in einer Minute fehlerfrei gelesen werden können. Diese Messungen erfolgen in regelmäßigen Abständen, etwa zu Beginn einer Einheit und dann täglich, wöchentlich oder monatlich, je nach Übungsziel.
So funktioniert die Arbeit mit der Erfolgsliste
Am Anfang wird der Ist-Stand ermittelt und in die Erfolgsliste eingetragen. Dieser dient als Vergleichswert für künftige Messungen. Im Anschluss wird im ausgewählten Bereich geübt. Bei der nächsten Messung wird überprüft, ob sich die Leistung verbessert hat. So erhalten sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Lehrkraft eine direkte Rückmeldung über den Erfolg der Übungseinheiten und können gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.
Die Erfolgsliste gibt auch wertvolle Hinweise zum Lernprozess selbst: Sie zeigt, dass Rückschritte möglich und normal sind. Vielleicht hatte das Kind einfach einen schlechten Tag – die Erfolgsliste motiviert, es am nächsten Tag wieder zu versuchen. Gleichzeitig lernen Schülerinnen und Schüler, ihre eigene Leistung realistischer einzuschätzen und erkennen durch die visuelle Darstellung, dass Üben Erfolge bringt.
Beispiel Zahlzerlegung im Zahlenraum 10
Zahlzerlegungen im Zahlenraum 10 sind eine wichtige Voraussetzung für das Addieren und Subtrahieren größerer Zahlen. Deshalb wird in der ersten Klasse viel Wert auf die Zerlegung der Zahl 10 gelegt. Dass auch die Zerlegung anderer Zahlen entscheidend ist, wird in vielen Übungsbüchern vernachlässigt. In der Lerntherapie nimmt dieser Bereich daher einen großen Raum ein. Nachdem die Zahlzerlegungen verstanden und geübt wurden, müssen sie automatisiert werden, um das Arbeitsgedächtnis beim Rechnen zu entlasten. Hier kommt die Erfolgsliste ins Spiel: Es wird gemessen, wie viele Zahlzerlegungen zu einer vorgegebenen Zahl ein Kind in einer Minute nennen kann. Die richtigen Antworten werden gesammelt und am Ende gezählt, um die Ergebnisse in die Erfolgsliste einzutragen.
Beispiel Lesen
Auch die Lesegeschwindigkeit und -genauigkeit kann mit der Erfolgsliste gemessen werden, indem festgehalten wird, wie viele Wörter ein Kind in einer Minute fehlerfrei liest. Sind es zu Beginn nur wenige Wörter, sollten es mit der Zeit mehr werden. Die Erfolgsliste visualisiert diese Fortschritte und zeigt eine ansteigende Kurve, die den Schüler*innen ihre Lernerfolge verdeutlicht – auch wenn diese im Vergleich zur Klassennorm noch nicht erkennbar sind.
Was kann die Erfolgsliste nicht?
Die Erfolgsliste misst Fortschritte im Bereich der Automatisierung und erfasst Ergebnisse, die eindeutig richtig oder falsch sind. Für andere Lernbereiche ist sie weniger geeignet, da sie nichts über die Qualität der Ergebnisse aussagt. Bei fehlerhaften Ergebnissen ist es wichtig, das Gespräch zu suchen und gemeinsam zu analysieren, wie es zu den Fehlern kam. Auf diese Weise können falsche Vorstellungen aufgedeckt und korrigiert werden.
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Super inspirierend, danke!
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