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Warum ich keine Lerntherapie in der Gruppe anbiete – oder sollte ich vielleicht doch?

Immer wieder bekomme ich Anfragen für Lerntherapie in der Gruppe, die ich bisher immer abgelehnt habe. Ich hatte bisher eine klare Meinung dazu, doch je mehr ich mich mit der Frage beschäftigte, desto detaillierter wurde mein Bild der möglichen Vor- und Nachteile. Mittlerweile bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Lerntherapie in der Gruppe unter bestimmten Umständen vielleicht doch eine Option sein könnte.

Wann ist eine Lerntherapie überhaupt wirksam?

Ise und Kollegen (2012) haben in einer Metastudie analysiert, welche Faktoren für eine wirksame Lerntherapie entscheidend sind. Dabei haben sie herausgefunden, dass Lerntherapie an den Symptomen arbeiten sollte, das heißt am Lesen, Schreiben und Rechnen und nicht andere Aspekte, wie z.B. Wahrnehmungsübungen in den Vordergrund stellen. Entscheidend sind darüber hinaus Dauer und Umfang der Intervention. Jede Lerntherapieeinheit sollte mindestens 45 Minuten dauern und mindestens über 20 Wochen regelmäßig stattfinden. In der Regel geht eine Lerntherapie über 1-2 Jahre, je nach Grad der Betroffenheit und Gestaltung des Umfeldes.

Ob die Lerntherapie in der Gruppe oder im Einzelsetting durchgeführt wird, ist laut der Studie nicht entscheidend. Vielmehr ist die Expertise der durchführenden Person, also der Lerntherapeutin, von besonderer Bedeutung. Wird die Gruppentherapie intensiv und von einer zertifizierten Lerntherapeutin durchgeführt, kann sie erfolgreich sein.

Was spricht für Lerntherapie in der Gruppe?

Die Motivationen für die Anfrage nach Gruppen-Lerntherapie sind sehr unterschiedlich.  Zum einen sind da die geringeren Kosten. Eine Lerntherapie in der Gruppe ist für diejenige, die für die Kosten aufkommen müssen, günstiger als eine Lerntherapie im Einzelsetting. Dies ist z.B. in unserer Gegend bedeutsam, da unser hiesiges Jugendamt häufig nur Gruppentherapie bewilligt und die Eltern daher auf der Suche nach solchen Angeboten sind. 

In der Gruppe kommen Schülerinnen und Schüler zusammen, die ähnliche Schwierigkeiten haben. Sie erfahren, dass sie nicht allein sind mit ihrem Problem und können sich mit anderen Betroffenen austauschen

Schließlich können alle in der Gruppen-Lerntherapie mit- und voneinander lernen. Die Schülerinnen und Schüler können sich gegenseitig motivieren und gemeinsam Lösungen für Probleme finden. Dabei kann ein Austausch auf Augenhöhe stattfinden. 

Was spricht gegen eine Gruppen-Lerntherapie?

Ein Hauptproblem einer Lerntherapie-Gruppe ist die Zusammenstellung derselben. Viele Institute werben mit den oben beschriebenen Vorteilen und lassen dabei außer Acht, dass die Gruppe oft nur ein Aufbewahrungsort für Schülerinnen und Schüler unterschiedlichster Probleme darstellt.

Eine Gruppentherapie macht überhaupt nur dann Sinn, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über ähnliche Schwierigkeiten verfügen. Und genau das lässt sich nur sehr schwer umsetzen. Selbst wenn zu Beginn ausreichend Schülerinnen und Schüler mit ähnlichen Übungsschwerpunkten zusammentreffen, wird die Entwicklung in der Gruppe nicht homogen verlaufen. Einige Schüler brauchen viele Übungen und damit mehr Zeit, um bestimmte Ziele zu erreichen, bei anderen geht dieser Fortschritt vielleicht schneller vonstatten.

Selbst wenn es der Lerntherapeutin gelingt, dann jeden Schüler genau dort abzuholen, wo er steht und mit entsprechenden Übungen zu versorgen, reduziert sich doch die Zeit, die die Lerntherapeutin für jeden Schüler zur Verfügung steht, erheblich. Von einer individuellen Förderung, wie sie im Einzelsetting möglich ist, wo die Lerntherapeutin die gesamte Zeit nur für einen Schüler zur Verfügung steht und alle Interventionen ganz individuell abgestimmt werden können, bleibt in der Gruppentherapie fast nichts mehr übrig.

Hinzu kommt, dass diejenigen, die gerade nicht mit der Lerntherapeutin arbeiten können, mit anderen Dingen, wie z.B. Arbeitsblättern beschäftigt werden müssen. Genau so sollte Lerntherapie nicht sein! Lerntherapie sollte Spaß machen und individuell auf Förderschwerpunkte abgestimmt sein, Vorlieben des jeweiligen Schülers oder der jeweiligen Schülerin berücksichtigen und sich v.a. vom Schulunterricht abheben.

Schülerinnen und Schüler in einer Lerntherapie haben oft ein sehr negatives Selbstbild. Eventuell haben sie auch Ängste entwickelt, die es ihnen schwer machen, vor anderen über ihre Schwierigkeiten zu sprechen. Die Angst, vor anderen Fehler zu machen, kann dann den bereits erreichten Therapieerfolg überlagern. Ebenso, wie es für einige Betroffene gut sein kann, sich mit anderen über ihre Schwierigkeiten auszutauschen und miteinander zu lernen, kann es für andere besonders wichtig sein, sich in einem ganz geschützten Rahmen zu bewegen, um erste Fortschritte zu machen. 

Mein Angebot

Biete ich in Zukunft vielleicht doch Lerntherapie in der Gruppe an? Nein, und zwar aus den oben genannten Gründen.

Ich bin überzeugt, dass jedes Kind die Chance haben sollte, individuell an seinen Schwierigkeiten zu arbeiten. Damit das gut gelingt, soll jedes Kind meine volle Aufmerksamkeit und Unterstützung erhalten. Eine reguläre Lerntherapie in der Gruppe wird es bei mir daher weiterhin nicht geben. Eine Übersicht über meine aktuellen Angebote findest du unter So kannst du 2024 mit mir lernen.

Was ich mir aber mittlerweile sehr gut vorstellen kann, sind zeitlich und thematisch sehr eingegrenzte Gruppenangebote, z.B. in den Sommerferien. Diese könnten vor- oder nachmittags an 5 aufeinanderfolgenden Tagen in einer Kleingruppe stattfinden. Denkbar wären hier verschiedene Schwerpunkte, wie z.B.

  • grundlegende Lesetraining 
  • sinnentnehmendes Lesen
  • Rechtschreibtraining, z.B. mit Schwerpunkt Doppelkonsonanten
  • der Großschreibung auf der Spur
  • Handschrifttraining
  • Strategien zum Zehnerübergang
  • das Einmaleins verstehen
  • Englisch bei LRS
  • Marburger Konzentrationstraining

Wenn du also an einem dieser Kurse Interesse hast, dann melde dich bei mir!

weiterführende Literatur:

  • Breitenbach,  E.  (2012).  Intensivförderung von  lese-rechtschreib-schwachen Kindern in der Grundschule. Empirische Sonderpädagogik 4,  167 – 182.
  • Ise,  E.,  Engel,  R.  R.  &  Schulte-Körne,  G.  (2012).  Was  hilft  bei  der  Lese- Rechtschreibstörung? Ergebnisse einer Metaanalyse zur Wirksamkeit  deutschsprachiger  Förderansätze.  Kindheit  und  Entwicklung, 21, 122 – 136. https://doi.org/10.1026/0942-5403/a000077
  • DGKJP (Hrsg.). (2018). S3-Leitlinie: Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung.

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1 Kommentar

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