Menü Schließen

Lern-App oder Lerntherapie? 5 Gründe, warum Lerntherapie mehr bewirkt

Sabine Landua in ihrer Lerntherapiepraxis zeigt ein Schild. Text: Lern-App oder Lerntherapie?

Apps zum Lesen-, Schreiben- oder Rechnenüben gibt es reichlich: Von kostenfreien Möglichkeiten bis zu monatlichen Abomodellen ist alles vorhanden. Es scheint eine einfache Lösung zu sein, Kinder mithilfe dieser Apps Unterrichtsinhalte vertiefen und regelmäßig üben zu lassen. Für das Lernen mit LRS und Rechenschwäche wurden spezielle digitale Lernprogramme entwickelt, die an der Förderung der Basiskompetenzen ansetzen. Diese stellen den Lernstand der Schülerin oder des Schülers fest und erstellen ein individuell angepasstes Übungsangebot. Kommt ein Kind an seine Grenzen, passt sich das Programm adaptiv an die jeweiligen Voraussetzungen an. So kann der Lernende individuelle Fortschritte in seinem eigenen Tempo erzielen. Das klingt sehr verlockend, aber bieten diese Programme tatsächlich den gleichen Mehrwert wie eine individuelle Lerntherapie?

Vorteile digitaler Lernprogramme

Im Bereich der Förderung bei LRS und Rechenschwäche beherrschen zurzeit zwei digitale Übungsprogramme den Markt: Meister Cody und Calcularis. Beide Programme sind von Wissenschaftlern entwickelt und evaluiert, d.h. ihre Wirksamkeit wurde in Studien nachgewiesen. Meister Cody hatte ich bereits 2 Jahre in meiner Lerntherapiepraxis getestet, bevor ich mich entschlossen habe, den Vertrag nicht zu verlängern. Calcularis konnte ich mir auf der letzten Fachtagung genauer anschauen. Beide Programme sind speziell für das Lernen bei LRS und Rechenschwäche entwickelt und bieten eine Reihe von Vorteilen: 

  • Nach einem Eingangstest erstellen sie einen individuellen Übungsplan.
  • Dieser passt sich adaptiv an, wenn deutlich wird, dass die Aufgaben vielleicht doch noch zu schwer sind.
  • Schüler und Schülerinnen können ihr Übungspensum selbstständig durchführen und sind nicht von der Unterstützung eines Erwachsenen abhängig.
  • Darüber hinaus können sie die Übungen frei in ihren Tagesablauf einbinden und nicht an feste Übungszeiten gebunden.
  • Die Aufgaben in diesen digitalen Übungsprogrammen sind von Wissenschaftlern entwickelt und standardisiert. Sie sind also qualitativ gut und bauen sinnvoll aufeinander auf.
  • Beim Lösen der Aufgaben erhalten die Übenden direktes Feedback. Gegebenenfalls werden Sequenzen eingeblendet, die das Aufgabenformat noch einmal erklären und Tipps zum Lösen geben.
  • Eine Lernverlaufsdiagnostik prüft regelmäßig den Lernstand und passt das Übungsprogramm daraufhin individuell an.

Das klingt alles sehr gut, dennoch kann das Üben mit solchen digitalen Lernprogrammen eine integrative Lerntherapie nicht ersetzen. 

5 Gründe, warum Lerntherapie besser unterstützt

Lerntherapie ist immer integrativ, d.h. neben der Arbeit mit dem jeweiligen Schüler, werden auch Eltern und Lehrer mit einbezogen. Durch den gemeinsamen Austausch knüpfen alle Beteiligten ein starkes Netz. Dieses trägt das Kind oder den Jugendlichen und schafft eine stabile Basis für das Weiterlernen. Auch wenn digitale Lernprogramme viele Vorteile bieten, bewirkt Lerntherapie noch viel mehr.
Was Schülerinnen und Schüler mit LRS oder Rechenschwäche wirklich brauchen, findest du in einem weiteren Blogartikel.

1. Individuelle Betreuung statt Standardantworten

Digitale adaptive Übungsprogramme bieten maßgeschneiderte Aufgaben, die auf den Lernstand des Kindes abgestimmt sind. Doch sie sind immer nur so gut wie ihr Algorithmus. Die Programme passen sich den Fehlern des Kindes an, sie sind aber auf die reinen kognitiven Aspekte fokussiert. Sie prüfen lediglich, ob die Aufgabe richtig oder falsch gelöst wurde bzw. ob das Kind lange für die Lösung brauchte. In der Lerntherapie schauen wir „dahinter“. Wie ist das Kind oder der Jugendliche auf die Lösung gekommen und welche Strategie hat er oder sie beim Lösen verwendet? Ist das richtige Ergebnis vielleicht durch Abzählen zustande gekommen? Bei der Erklärung der Vorgehensweise wird deutlich, ob die Lernenden über tragfähige Grundvorstellungen verfügen oder ob sie Aufgaben einfach nur mechanisch, nach einem bestimmten Muster, lösen können. Dies kann ein digitales Lernprogramm nicht leisten.

2. Emotionale Unterstützung und Motivation durch den Therapeuten

Ein wesentlicher Punkt der integrativen Lerntherapie ist die emotionale Unterstützung und Förderung der Lernenden. Ein digitales Programm kann den Fortschritt eines Kindes messen und vielleicht eine kleine Belohnung für den Erfolg anbieten, aber es bietet keine tiefere emotionale Unterstützung.

Neben Übungen zur Stärkung des Selbstwerts ist die auch die Analyse der jeweiligen Lernhindernisse und der Umgang damit ein wesentlicher Bereich. Lerntherapie ist immer auch ein bisschen Lerncoaching: Wie willst du üben? Wie schaffst du es, die Übungen auch wirklich durchzuführen? Was ist für dich eine gute Lernzeit? Ein digitales Lernprogramm setzt voraus, dass es von einem kompetenten Lernenden angewandt wird. Dieser setzt sich motiviert und mindestens dreimal wöchentlich vor das Programm, um gewissenhaft seine Übungen zu absolvieren. In der Realität scheitert die Umsetzung aber genau daran: Die meisten meiner Schüler schaffen es nicht alleine, sich regelmäßig an ihre Übungen zu setzen. Vielmehr ist es ein langer Prozess, in dem wir gemeinsam den besten Weg für das jeweilige Kind suchen. 

Kinder, die mit Lernschwierigkeiten kämpfen, brauchen nicht nur kognitive Hilfe, sondern auch emotionale Begleitung. Als Lerntherapeutin kann ich durch das gemeinsame Finden von Lösungen die Motivation des Kindes steigern. Ich kann es bei Rückschlägen aufmuntern und bei Frustration schnell reagieren. Ein digitales Programm, so gut es auch ist, bleibt in seiner Interaktion begrenzt. Es kann keine persönliche Ansprache bieten und reagiert nicht auf die Gefühle des Kindes. Ein Therapeut kann mit einem Kind direkt an der Einstellung zum Lernen arbeiten, sodass das Kind lernt, mit Herausforderungen konstruktiv umzugehen – ein Prozess, der mit einer App nur schwer zu erreichen ist.

3. Flexibilität in der Durchführung

Digitale, adaptive Übungsprogramme erkennen Fehler und passen die Übungen entsprechend an. Sie zeigen an, dass ein Fehler gemacht wurde, aber sie können nicht die Ursache des Fehlers klären. Das Kind wird möglicherweise einfach auf eine leichtere Übung umgeleitet, ohne dass das zugrunde liegende Problem wirklich gelöst wird.

In der Lerntherapie erkenne ich, ob der Fehler durch ein Missverständnis in der Anwendung einer Regel oder durch eine grundlegende Unsicherheit im Konzept verursacht wurde. Dies kann ich dann gezielt aufgreifen und aufarbeiten, und zwar sobald das Problem auftritt. Das Kind muss nicht darauf warten, dass das Programm eine Erklärsequenz einschiebt – die die meisten meiner Schüler übrigens ungelesen weiter- oder wegklicken. Ich stehe den Kindern und Jugendlichen immer unterstützend zur Seite, kann auf Schwierigkeiten sofort eingehen und meine Stundenplanung flexibel anpassen. 

Manchmal sind am Vormittag in der Schule Probleme aufgetreten, die bis in den Nachmittag hineinwirken. Dann muss erstmal eine Basis geschaffen werden, die Lernen überhaupt möglich macht. Wenn ich zu Beginn der Stunde merke, dass gerade ganz andere Dinge den Schüler oder die Schülerin belasten, haben diese natürlich Vorrang vor den fachlichen Übungen, die ich vielleicht für die Stunde geplant hatte.

4. Langfristige Unterstützung und kontinuierliche Entwicklung

Ein großer Vorteil der Lerntherapie ist die langfristige Unterstützung. In der Lerntherapie verfolge ich die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen über eine lange Zeit. Dabei kommt das Kind oder der Jugendliche regelmäßig einmal wöchentlich zu mir. In der Regel arbeiten wir mindestens ein Jahr zusammen, manchmal auch deutlich länger. In der Zeit, in der ich meinen Schülern das digitale Lernprogramm „Meister Cody“ zum Üben zur Verfügung gestellt habe, konnte ich feststellen, dass die wenigsten das eigenständige regelmäßige Üben durchhalten. Vorausgesetzt werden mindestens dreimal wöchentlich 20 Minuten Übungszeit, damit das Programm erfolgreich ist. Manche Kinder schafften es nur wenige Wochen, die meisten 2-3 Monate. Darüber hinaus konnten nur sehr wenige Schüler das regelmäßige Üben durchhalten und auch nur dann, wenn ihre Eltern sehr dahinter her waren. Das zeigt mir, dass es eine persönliche Beziehung und einen geschützten Übungsraum benötigt, um langfristig dranbleiben zu können. 

Lerntherapie ist auch immer integrativ, d.h. ich tausche mich regelmäßig mit den Eltern und Lehrkräften aus. Das fördert das gegenseitige Verständnis und schafft für das Kind oder den Jugendlichen ein tragfähiges Unterstützernetz. Gemeinsam überlegen wir, ob der bisherige Weg den Schüler oder die Schülerin voranbringt oder ob Anpassungen sinnvoll sind. Auch Möglichkeiten der Unterstützung zu Hause oder in der Schule werden gemeinsam besprochen. Ein digitales Lernprogramm kann zwar einen Leistungsbericht an Eltern oder auch Lehrkräfte verschicken, ein gemeinsames tragfähiges Netz kann so aber nicht geknüpft werden.

5. Vertrauen und positive Lernumgebung

Das Vertrauen, das in einer Lerntherapie zwischen dem Kind und mir als Lerntherapeutin entsteht, ist entscheidend für den Lernprozess. Kinder, die sich in einem sicheren und unterstützenden Umfeld befinden, sind eher bereit, Risiken einzugehen und Fehler zu machen, ohne Angst vor negativem Feedback zu haben. Als Lerntherapeutin biete ich nicht nur fachliche Unterstützung, sondern auch eine emotionale Sicherheit, die für das Selbstvertrauen der Kinder und Jugendlichen entscheidend ist.

Ein digitales Programm kann diese sichere Umgebung nicht schaffen. Die Interaktionen sind technologisch und neutral – auch wenn versucht wird, durch eine Identifikationsfigur Nähe aufzubauen. Es gibt keine echte Beziehung oder individuelle Bindung, die das Kind motivieren könnte, über sich hinauszuwachsen. Vielmehr haben diese Übungsprogramme bei einigen meiner Schüler zu Frust und Tränen geführt. Nämlich dann, wenn das Programm für das Kind oder den Jugendlichen Übungen vorgesehen hatte, die der Schüler oder die Schülerin nicht bewältigen konnte. Trotz fehlerhafter Eingaben ließen sich die Übungen nicht abbrechen. Kontraproduktiv für das freudvolle Lernen in einer motivierenden Lernumgebung.

Mein Fazit

Digitale, adaptive Übungsprogramme bieten in der Theorie eine schnelle und personalisierte Unterstützung. Sie sind aber nicht in der Lage, die Tiefe, Flexibilität und emotionale Begleitung zu liefern, die eine persönliche Lerntherapie bietet. Gerade bei LRS und Rechenschwäche, wo es neben den kognitiven Aspekten auch um die Selbstwertstärkung und eine kontinuierliche individuelle Unterstützung geht, ist der Mensch als Lernpartner nach wie vor unersetzlich. Warum künstliche Intelligenz eine Lerntherapeutin nicht ersetzen kann, findest du in diesem weiteren Blogartikel.
Digitale Programme können eine hilfreiche Ergänzung oder auch sinnvoll sein, um Wartezeiten zu überbrücken. Sie können aber die persönliche, individuelle Förderung durch eine Lerntherapeutin nicht ersetzen. 

Du sucht lerntherapeutische Unterstützung?
Meine freien Plätze findest du auf meiner Kontakt-Seite.

Du möchtest dich beraten lassen? Dann buche dir ein Impuls-Gespräch mit mir.

Sabine Landua

Impuls-Gespräch

Stelle mir in einem individuellen Beratungsgespräch alle deine Fragen rund um das Lernen mit LRS und Rechenschwäche.

Ähnliche Beiträge

5 Kommentare

  1. Pingback:KW15/2025: Alle TCS-Blogartikel - The Content Society

  2. Jutta Baur

    Hallo Sabine,
    du beschreibst, was oft übersehen wird: Dass Kinder keine Maschinen sind, die man nur richtig füttern muss. Sondern Menschen, die jemanden brauchen, der sie sieht, spürt und ernst nimmt.
    Als (frühere) Mama einer Tochter mit Rechtschreibschwäche sprichst du mir aus der Seele.

  3. Gabi Kremeskötter

    Liebe Sabine, ein sehr informativer Artikel!
    Du stellst sehr gut die Vor- und Nachteile digitaler – vor allem aber die Stärken von PERSÖNLICHER Lerntherapie – heraus.
    KI und digitale Angebot können helfen, jedoch haben sie klare Grenzen gegenüber den Möglichkeiten und Fähigkeiten von uns Menschen.
    Danke für dein eindeutiges Votum für den persönlichen Kontakt!
    Viele Grüße Gabi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner