Diese Woche haben bei uns die Sommerferien angefangen. Für einige meiner Schüler war es ihr letztes Schuljahr. Sie starten ab 1. August ihre Ausbildung. Natürlich haben wir in der letzten Zeit häufig über Berufswünsche gesprochen und selbstverständlich kam auch die Frage auf, ob ich schon immer als Lerntherapeutin arbeiten wollte. Was liegt näher als Rückschau zu halten auf das, was ich früher einmal werden wollte.
Mein Berufswunsch als Kind
Schon als Kind wollte ich Lehrerin werden. Meine kleine Schwester musste oft herhalten und mit mir „Schule“ spielen, wobei sie natürlich die Schülerin war und ich die Lehrerin. Wir hatten eine Tafel zum Aufstellen, Kreide in allen Farben und magnetische Buchstaben, um daraus Wörter zu formen. Ihr Zimmer wurde zum Klassensaal umgedeutet und auch einige Kuscheltiere mussten den Stunden beiwohnen.
Meine Eltern waren beide Lehrer – meine Mutter für die Grundschule und mein Vater für die Realschule. Schule war bei uns zuhause immer ein Thema und auch meine vorschulische Zeit verbrachte ich immer wieder in der Schule. Das prägt natürlich. Jede Schule hat einen ganz besonderen Geruch und da meine ich nicht nur den Geruch nach alten Tafelschwämmen! Ich liebte den Schulgeruch der Realschule, wenn ich z.B. nachmittags (damals war das Schulgebäude um diese Zeit leer) in der Schule herumtollte und auf meine Eltern wartete. Auch durfte ich manchmal mit in den Unterricht, wenn bei uns z.B. mal der Kindergarten oder die Schule ausfiel und meine Eltern niemanden hatten, der auf mich aufpassen konnte.
Am Ende meiner Grundschulzeit mussten wir einen Test ausfüllen und auch einen Berufswunsch angeben. Meiner war natürlich „Lehrerin“, aber nur für Grundschüler. Mit älteren Schülern zu arbeiten konnte ich mir damals nicht vorstellen. Bei unserer Abschlussfeier der 4. Klasse führten wir ein Theaterstück auf und ich spielte – natürlich die Lehrerin.
Auch in den Freundebüchern, die in der 5. und 6. Klasse aufkamen, vermerkte ich unter „Berufswunsch“ weiterhin „Lehrerin“. Dieser Wunsch hielt sich ziemlich lange, bis er in der 9. Klasse abgelöst wurde.
Mein Berufswunsch in der Mittelstufe
In der 9. Klasse hatte ich einen Bandscheibenvorfall, wahrscheinlich vom Handballspielen. Ich war längere Zeit zuhause und es folgten zahlreiche Einheiten Physiotherapie. Natürlich begann ich mich mit meinen Physiotherapeuten zu unterhalten und dies schließlich auch als Beruf in Erwägung zu ziehen. Bei der Berufsberatung informierte ich mich darüber und blätterte das Berufswahlbuch durch, in welchem damals alle Ausbildungsberufe erfasst waren. Das ist bei der heutigen Vielfalt der Berufe fast undenkbar! So erfuhr ich erstmals auch etwas über die Berufe der Logopädin und der Ergotherapeutin. Beides fand ich ebenfalls interessant. Lust auf Schule hatte ich keine mehr und so zog ich ernsthaft in Betracht, nach der 10. Klasse eine Ausbildung zu machen. Vielleicht hätte mich diese Berufswahl auch dahin geführt, wo ich heute stehe?
Meine Eltern sahen das mit dem Schulabbruch natürlich ganz anders – ich habe die Worte meines Vaters noch im Ohr: „Nach dem Abitur kannst du alles machen, was du willst, aber solange gehst du zur Schule!“ Na ja, da ich Physiotherapie als Beruf sowieso wieder aussortiert hatte, nachdem ich erfahren hatte, was man dafür alles lernen musste und Logopädie, weil man da für die Ausbildung Schulgeld bezahlen musste, ging ich eben weiter zur Schule.
Mein Berufswunsch in der Oberstufe
In der Oberstufe hatte ich Biologie Leistungskurs. Unser großes Thema in der 12. Klasse war das Ökosystem „Wald“. Das fand ich sehr interessant und begann auch in meiner Freizeit viel dazu zu lesen. Mit unserem Kurs machten wir einen Ausflug in die Forschungsstation nach Trippstadt im Pfälzerwald und beschäftigten uns auch mit dem Thema „Waldsterben“, was damals in aller Munde war. Dies wählte ich schließlich auch als Thema meiner Facharbeit und ich begann mich mit der Waldwirtschaft zu beschäftigen. Wie bereits in der Mittelstufe wälzte ich das Berufswahlbuch und in mir reifte der Wunsch Försterin zu werden. Ich suchte bereits nach möglichen Studienorten, bis mir klar wurde, dass man als Förster auch einen Jagdschein machen müsste. Von da an, war dieser Beruf wieder vom Tisch.
In der 13. Klasse musste ich mich langsam entscheiden und irgendwie blieb wieder nur „Lehramt“ als mögliches Studium übrig. Also schrieb ich mich zusammen mit einigen Mitschülerinnen in Koblenz für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen ein. Da ich aber auf keinen Fall an die Hauptschule wollte, wählte ich als ein Fach „Grundschulpädagogik“, welches den Anfangsunterricht in Mathematik und Deutsch, Sachunterricht und rhythmisch-musikalische Erziehung enthielt. So war die Wahrscheinlichkeit, später auch an einer Grundschule zu unterrichten wesentlich größer.
Mein Werdegang als junge Erwachsene
Das Studium in Koblenz verfolgte ich nur ein Semester, bevor ich in das Lehramtsstudium nach Landau (Pfalz) wechselte. Das war die beste Entscheidung, denn meine Studienzeit war toll! In Landau hatten wir viele sehr praktische Seminare und durch die Nähe zu Frankreich auf die Möglichkeit an internationalen Seminaren teilzunehmen. So war ich mit dem deutsch-französischen Jugendwerk mehrere Male an Instituten der Lehrerausbildung (IUFM) in der Bretagne und im Elsass.
Voller Elan ging ich in mein Referendariat und erfuhr erstmals, dass es einen großen Unterschied zwischen tollen Studienprojekten voller Ideale und dem tatsächlichen Schulalltag gab. Viele meiner Ideen schafften es nicht in die Umsetzung und so fragte ich mich erstmals, ob die Arbeit in der Schule so erstrebenswert ist. Dennoch blieb ich mit einer kurzen Unterbrechung 15 Jahre Lehrerin.
In dieser Unterbrechung studierte ich nochmal. Ich wollte noch einen anderen Abschluss haben, als „nur“ Lehrerin zu sein. So schrieb ich mich wieder in Landau für interkulturelle Pädagogik ein. Vor Ort erfuhr ich von der Möglichkeit auch „Deutsch als Fremdsprache / Ausländerpädagogik“ in einem wesentlich kürzeren Zusatzstudium zu absolvieren, so dass ich nochmal den Studiengang änderte. Während dieser Zeit arbeitete ich in Teilzeit in einem Uni-Forschungsprojekt zur frühkindlichen Sprachaneignung, in welches ich „so reingerutscht“ war. Ein Traumberuf war das nicht und auch der Abschluss in „Deutsch als Fremdsprache“ bot wenig Berufsaussichten außerhalb der Schule, so dass ich nach meinem Abschluss wieder in der Schule landete.
Während dieser Studienauszeit stellten sich aber die Weichen für meine heutige Tätigkeit: Ich lernte eine Kommilitonin kennen, die sich nach dem Lehramtsstudium als Nachhilfelehrerin selbstständig gemacht hatte und nun ein eigenes Institut führte. Dies begann in mir zu arbeiten. Ich bewunderte sie dafür, was sie sich aufgebaut hatte und für die lehrende Tätigkeit außerhalb der Schule. Das wollte ich auch erreichen und dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los. Meine Tätigkeit in der Schule desillusionierte mich mehr und mehr und ich begann nach Alternativen zu suchen.
Mein Traumberuf: Lerntherapeutin
Heute arbeite ich in meinem Traumberuf als Lerntherapeutin und der Kreis schließt sich. Nach einigen Fortbildungen im Bereich Legasthenie und Dyskalkulie entschied ich mich, mich selbstständig zu machen und der Schule den Rücken zu kehren. Die beste Entscheidung! Vor einigen Jahren habe ich mich sogar nochmal dazu entschieden, Lerntherapie zu studieren.
Jetzt kann ich ganz individuell mit meinen Schülern arbeiten und v.a. so, dass Lernen, auch bei schwierigen Themen, Spaß macht. Jeder Schüler steht bei mir im Mittelpunkt und zwar nicht mit seinen Schwächen, sondern mit dem Potenzial, welches er oder sie mitbringt. Gemeinsam richten wir den Blick auf das Positive, auf das, was bisher erreicht wurde und arbeiten Schritt für Schritt an den Bereichen, die noch schwerfallen. Jetzt kann ich Lehrerin so sein, wie ich mir das früher vorgestellt hatte!
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