Ich war nicht immer Lerntherapeutin (Was ich früher alles werden wollte). Lernstoff für meine Schüler interessant und so aufzubereiten, dass sie es gut verstehen, hat mich aber schon immer fasziniert. Daher war ich ursprünglich über 15 Jahre lang Grund- und Hauptschullehrerin und habe Schüler von der Vorschule bis zur 9. Klasse unterrichtet. Mit Schülern in der Schule zu arbeiten ist toll, sie aber ganz individuell auf ihrem Lernweg begleiten zu können, finde ich noch schöner. Eine logische Folge war es daher, mich als Lerntherapeutin selbstständig zu machen. Ein ziemlich großer Schritt, der für mich genau richtig war. Hier möchte ich dir zeigen, warum ich meine Arbeit liebe.
Individuelle Begleitung auf dem Weg des Lernens
Viele Schüler haben in der Schule Schwierigkeiten, weil sie mit den Gegebenheiten nicht zurechtkommen. Das Schulsystem ist in den meisten Fällen darauf ausgelegt, dass alle Schüler einer Altersklasse zur gleichen Zeit das Gleiche lernen. Der Unterricht orientiert sich oft am Durchschnittsschüler und lässt die natürliche Vielfalt viel zu oft außer Acht. In der Realität unterscheiden sich Schüler einer Klassenstufe in ihrem Entwicklungsalter aber um bis zu drei Jahre (Largo & Beglinger, 2020). In Bezug auf z.B. die Körpergröße, sind Unterschiede allgemein akzeptiert. Geht es aber z.B. um die Lesekompetenz, wird häufig erwartet, dass alle Schüler zur gleichen Zeit das gleiche Niveau erreichen. Im Rahmen der natürlichen Variabilität ist es aber durchaus normal, dass es in der 1. Klasse Schüler gibt, die bereits lesen können und andere das Lesen erst erlernen. Wieder andere erreichen das Niveau, welches Leseanfänger in der 1. Klasse erreichen, erst viel später, teilweise erst mit 11 Jahren (vgl. Largo & Beglinger, 2020).
Im Rahmen der Lerntherapie kann ich jeden Schüler individuell begleiten. Ich sehe in jedem Schüler und jeder Schülerin das Potenzial und freue mich, wenn ich ihn oder sie bei der Entwicklung unterstützen kann und ein weiterer Entwicklungsschritt geschafft ist.
Durch die 1:1-Arbeit kann ich individuell entscheiden, an welchen Schwerpunkt wir zuerst arbeiten und jederzeit Anpassungen vornehmen, damit Schülerinnen und Schüler die bestmögliche Unterstützung bekommen. Auch wenn Schüler ähnliche Förderschwerpunkte haben, ist trotzdem keine Stunde wie die andere.
Eine Arbeit, die es mir erlaubt Spiele zu spielen
Beim Spielen vergeht die Zeit sehr schnell. Wir lachen gemeinsam und haben Spaß. Spielen gehört für mich zu jeder Lerntherapie-Stunde dazu. Manchmal sind dies Spiele zum Einstieg, z.B. Spiele, die die Konzentration fördern oder die zu Bewegung verführen oder Lernspiele zu den jeweiligen Übungsschwerpunkten. Dinge, die auf dem Arbeitsblatt mühsam sind und langweilig erscheinen, können in Spiele verpackt richtig Spaß machen. Entsprechend habe ich sehr viele Spiele zu den Bereichen Lesen, Schreiben und Rechnen und überlege mir auch immer wieder, wie ich langweilige Übungen spielerisch gestalten kann. Einige Schüler erzählen ihren Eltern dann nach der Stunde, wir hätten die ganze Stunde nur gespielt!
Persönlichkeitsentwicklung unterstützen
In der Lerntherapie geht es nicht nur um fachliche Inhalte, wie Lesen, Schreiben und Rechnen, auch wenn diese einen großen Teil einnehmen. Nicht weniger wichtig ist es, an der Selbstwertstärkung zu arbeiten. Oft kommen Schüler zu Beginn der Lerntherapie mit einem sehr geringen Selbstwertgefühl und einer sehr geringen Selbstwirksamkeitserwartung. „Mathe kann ich eh nicht!“ „Ich bin einfach dumm.“ „Das konnte ich noch nie.“
Mit diesem Mindset ist es schwierig, Fortschritte zu erzielen. In der Lerntherapie arbeite ich mit meinen Schülern daran, ein growth mindset zu entwickeln („Das kann ich noch nicht. Wenn ich übe, werde ich besser.“). Mit der Arbeit an der individuellen Null-Fehler-Grenze, sind Schüler in der Lage, ihr fixed mindset („Das kann ich nicht. Es zu versuchen, ist Zeitverschwendung.“) zu überwinden und kleine Schritte Richtung Erfolg zu gehen.
Wichtig im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung ist auch Stärken zu stärken. Vielen Schülern fällt es schwer, eigene Stärken zu sehen und zu benennen. Ein wesentlicher Teil der Lerntherapie ist es daher auch, sich eigene Stärken bewusst zu machen und als Ressource zu nutzen.
Ganzheitliches Arbeiten führt zum Ziel
Ich liebe die Vielfältigkeit meiner Arbeit. Lerntherapie ist nicht nur die Arbeit mit dem Schüler, es wird auch immer das Umfeld mit einbezogen. Häufig haben Schüler bereits einen langen Leidensweg hinter sich, ehe sie eine Lerntherapie beginnen. Auch die Eltern und das Familienleben sind häufig stark belastet, um den Spagat zwischen Anforderungen der Schule und der wahrgenommenen Not ihres Kindes irgendwie bewältigen zu können. Hausaufgaben oder Lernen für Klassenarbeiten sind dabei häufig sehr stressbelastete Themen. Ein Baustein der integrativen Lerntherapie ist daher auch immer die Beratung und Unterstützung der Eltern im Umgang mit den Lernschwierigkeiten.
Ein weiterer Baustein ist der Austausch mit den betreuenden Lehrkräften, sofern die Eltern dem zustimmen. Auch Lehrkräfte fühlen sich häufig ratlos im Umgang mit einer Lernstörung und sind aufgrund der Bedingungen in Schule oft überlastet. Durch Beratung und gemeinsames Finden von praktikablen Lösungen kann der Schüler bestmöglich unterstützt werden.
Ich kann damit auf mehreren Ebenen etwas bewirken und so dabei mithelfen, für meine Schülerinnen und Schüler möglichst optimale Rahmenbedingungen zu schaffen.
Von zu Hause aus Schüler in der ganzen Welt erreichen
Na ja, die meisten meiner Schüler kommen aus der Umgebung und kommen daher jede Woche zu ihrer Lerntherapiestunde zu mir nach Hause. Ich habe aber auch Schüler, die weiter weg wohnen, z.B. in Süddeutschland. Mit diesen Schülern arbeite ich live-online. Theoretisch ist es aber egal, wo meine Schüler sitzen – ein Vorteil der live-online Umgebung. Schon vor 15 Jahren hatte ich eine Ausbildung zum Live-Online-Trainer gemacht und damals dachten wir schon, das wäre die Zukunft! Dass die Zukunft doch noch so lange auf sich warten lassen würde und sich Live-Online-Lernen erst durch eine Pandemie durchsetzen würde, konnten wir damals noch nicht ahnen. Mittlerweile ist dieses Format auch für die Lerntherapie etabliert und es macht mir riesigen Spaß, neue Ideen und Spiele für die virtuelle Umgebung zu entwickeln. Die Live-Online-Lerntherapie bietet viele Vorteile für Schüler und Eltern und stellt für mich eine tolle Abwechslung von der Arbeit vor Ort dar.
Einen Punkt habe ich noch gar nicht aufgeführt: Ich habe im Lerntherapeutennetzwerk so viele tolle Kolleginnen gefunden, mit denen es einfach Spaß macht, neue Ideen zu entwickeln und sich auszutauschen. Wir sind mittlerweile eine starke Gemeinschaft mit lauter Lerntherapeutinnen, die ihren Beruf lieben. Hier findest du den Artikel von Susanne Seyfried Warum ich es liebe Lerntherapeutin zu sein, 6 Gründe Schüler individuell zu stärken. Viel Spaß beim Lesen!
Literatur: Largo, R. H., & Beglinger, M. (2020). Schülerjahre: Wie Kinder besser lernen. 2. Auflage, Piper.
Du möchtest regelmäßig von mir hören? Dann melde dich gerne zu meinem Newsletter an:
Ich finde es toll, wie du die Stärken und Interessen der Kinder erkennst und nutzt, um ihnen das Lernen zu erleichtern und sie zu motivieren. Es ist deutlich spürbar, wie viel Herzblut in deiner Arbeit steckt. 😘 Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg und Freude bei deiner Arbeit und hoffe, dass du noch viele Menschen mit deiner Begeisterung und deinem Engagement anstecken kannst. LG Sabine 🙋♀️Sa
Vielen lieben Dank 🥰
Liebe Sabine, toller Artikel und wirklich interessant. Ich selbst habe gerade eine 7 Jahre als Tochter, die im September in die Schule gekommen ist und gerade die Tage kam ich auch in eine von dir beschrieben Situation. Lesen- ich kann das nicht, dauert alles so lange etc…. Wirklich spannend. Schön, dass sich unsere Wege gekreuzt haben, mal sehen, was daraus wird. Alles Liebe dir. Michelle
Hallo Michelle, solche Sätze sind ja einfach nur menschlich, wenn wir gerade in einer Situation sind, die uns überfordert. Diese Sichtweise sollte sich nur einfach nicht verfestigen. Die vielen kleinen Fortschritte, die Kinder täglich machen, sind viel zu oft zu wenig sichtbar. Ich versuche daher mit meinen Schülern immer den Blick auf das Positive zu lenken und sie dazu anzuleiten, sich mit sich selbst zu vergleichen, z.B.: „Das letzte Mal habe ich 5 Minuten für den Text gebraucht, heute sind es nur 3.“ Man kann diese kleinen Fortschritte auch visuell festhalten. Das gibt Motivation für das weitere Üben.