Es ist ein weitverbreitetes Ziel, lebensfroh bis ins hohe Alter zu bleiben. Oft vergessen wir dabei, dass die Basis für ein erfülltes und gesundes Leben bereits in der Kindheit gelegt wird. Pia Hübingers Blogparade „Lebensfroh bis ins hohe Alter – meine Strategien heute!“ lädt dazu ein, über persönliche Ansätze und bewährte Methoden zu reflektieren, die zu einem positiven Lebensgefühl im Alter beitragen. Während viele von uns dabei an die Erwachsenen denken, möchte ich den Blick auf eine andere wichtige Gruppe lenken: Kinder und Jugendliche.
Belastung durch Lernstörungen
Schon in jungen Jahren müssen Kinder lernen, mit Herausforderungen umzugehen. In meiner Arbeit als Lerntherapeutin sehe ich täglich, wie belastet Schülerinnen und Schüler dadurch sein können. Entscheidend es ist, dass Kinder Strategien entwickeln, die ihnen nicht nur beim Lernen, sondern auch im Leben helfen.
In der Lerntherapie schaffen wir nicht nur die fachlichen Grundlagen, damit ein Weiterlernen möglich wird. Ein wesentlicher Teil ist auch die Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung, um einen positiven Umgang mit den Lernschwierigkeiten zu ermöglichen. Denn wer bereits in jungen Jahren lernt, achtsam mit sich selbst und seinen Bedürfnissen umzugehen, legt den Grundstein für ein gesundes und glückliches Leben – bis ins hohe Alter.
Was ist Achtsamkeit?
In unserer schnelllebigen Welt mit vielen Umweltreizen und Ablenkungsmöglichkeiten fällt es uns manchmal schwer achtsam zu sein und uns ganz auf das Hier und Jetzt zu fokussieren. Achtsamkeit bedeutet dabei, diese Reize auszublenden, unsere Aufmerksamkeit gezielt zu lenken und den Moment bewusst wahrzunehmen, ohne zu bewerten.
Für Kinder ist Achtsamkeit besonders wichtig, da sie ihnen hilft, ihre Emotionen besser zu verstehen und mit Herausforderungen umzugehen. In der Lerntherapie kann Achtsamkeit Kindern dabei helfen, Stress abzubauen, ihre Konzentration zu verbessern und eine positive Einstellung zum Lernen zu entwickeln.
Wie kann Achtsamkeit gelingen?
Achtsamkeit geht mit zunehmenden Belastungen vielfach verloren. Mit dem Ziel alles zu schaffen, werden die Momente des wirklichen Erlebens und sich Vertiefen in den Augenblick weniger. Daher müssen wir die Achtsamkeit bewusst in den Fokus rücken und Kinder durch Übungen anleiten, wieder bewusst wahrzunehmen. Durch achtsames Erleben lernen Kinder, ihre Aufmerksamkeit gezielt zu lenken und sich nicht von äußeren Reizen oder inneren Gedanken ablenken zu lassen.
Nicht alle Kinder und Jugendlichen reagieren begeistert, wenn ich in der Lerntherapie eine Achtsamkeitsübung vorschlage. Gerade für ältere Schülerinnen und Schüler können diese Momente als peinlich empfunden werden. Gute Erfahrungen habe ich damit gemacht, die Übungen in ein Spiel zu verpacken.
Achtsamkeit spielerisch üben
In der Lerntherapie spielen wir häufig Spiele. Dies ermöglicht, den „Ernstfall“ in einer spielerischen Situation zu erproben und Handlungsmöglichkeiten auszuprobieren. Zur Schulung der Achtsamkeit ist seit einigen Wochen das Spiel „Moment mal – Das Wirbelwundspiel“ in meiner Lerntherapie im Einsatz und sehr beliebt.
Dieses Spiel ist konzipiert für die therapeutische und pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und ist im Beltz-Verlag erschienen. Ziel des Spiels ist es, Kinder und Jugendliche dazu zu motivieren, Achtsamkeitsübungen auszuprobieren. Durch den spielerischen Charakter verlieren auch diejenigen, denen solche Übungen peinlich sind, die Scheu. Schließlich spielt man „nur“ ein Spiel und die Übungen werden nicht im „echten Leben“ ausgeführt. Dennoch fragen auch diese Jugendlichen immer wieder, ob wir das Spiel nicht mal wieder spielen könnten.
Moment mal – Das Wirbelwindspiel von Miriam Prätsch
Auf einem liebevoll gestalteten Spielplan rücken die Figuren je nach Würfelzahl vor. Besonders gefällt mir als Lerntherapeutin hier natürlich auch, dass es sich um zwei 6er-Würfel handelt, die addiert werden müssen. Ganz nebenbei wird somit auch das Kopfrechnen gefördert. Je nach erreichtem Feld werden Aktionen ausgeführt: Hier gibt es z.B. die Aufgabe, einen Rhythmus vorzuklatschen, den die Mitspieler nachklatschen, sich einmal durch den Raum zu wirbeln oder tief durchzuatmen.
Zentral sind die farbigen Felder, die für verschiedene Achtsamkeitsübungen stehen: blau steht für Körperübungen, grün für Sinnesübungen und rosa für Gedankenübungen. Diese Übungen sind in zwei Schwierigkeitsstufen unterteilt, so dass die Auswahl entsprechend angepasst werden kann. Um Vorbild zu sein, mache ich die Übungen immer mit. Dies erleichtert es den Kindern und Jugendlichen, sich auf die Übung einzulassen. Nach der Übung werden die Spieler eingeladen, kurz über ihre Erfahrungen zu sprechen. So sind schon richtig tolle Gespräche entstanden! Gerade Schüler mit Aufmerksamkeitsproblemen sind hier sehr sensibel. Einige haben sich im Anschluss eine Übung ausgesucht, die sie auch im schulischen Kontext ausprobieren wollen.
Bei jeder Übungen steht es dem Spieler frei, die Übung auszuprobieren oder nicht. Bis auf eine Übung haben bisher aber alle Spieler alles mitgemacht, denn für das Ausprobieren gibt es einen schön gestalteten „Momentepunkt“. Diese können am Ende gezählt werden. Viel wichtiger als die Frage „Wer hat mehr?“ ist meinen Schülern aber meist, welche Punkte sie sammeln konnten und welche vielleicht noch fehlen. Es geht also in diesem Spiel weniger um das Gewinnen, als das Ausprobieren und sich Einlassen auf Achtsamkeitsübungen.
Meine Hoffnung als Lerntherapeutin ist es, durch den spielerischen Charakter möglichst allen Kindern und Jugendlichen, die mit Lernschwierigkeiten zu mir kommen, Achtsamkeitsübungen nahezubringen. So erfahren sie Achtsamkeit als etwas Positives und haben ein Repertoire an Übungen zur Hand, welche sie in schwierigen Situationen einsetzen können.
Liebe Sabine,
ich danke dir sehr für diesen wundervollen, lesenswerten Beitrag zu meiner Blogparade! Deine Beschreibung, wie du deine Schüler*innen spielerisch in Achtsamkeit schulst, lässt mein Herz aufgehen. Denn es stimmt: Je früher wir den Grundstein dafür legen, bewusst den gegenwärtigen Moment wahrzunehmen, desto selbstverständlicher wird uns Achtsamkeit als hilfreiches Gewohnheitsmuster, das wir auch in herausfordernden Lebenssituationen abrufen können.
Das Spiel „Moment mal – Wirbelwindspiel“ kannte ich noch nicht. Ich werde es ganz bestimmt in meine Arbeit mit Kindern aufnehmen.
Sehr herzlich
Pia
Hallo Pia,
danke für diesen lieben Kommentar und die Idee zu dieser Blogparade! Manchmal sind Dinge für uns selbstverständlich und erst, wenn wir sie aufschreiben, denken wir nochmal richtig darüber nach. Dadurch wurde mir bewusst, welch tolle Gelegenheit es bietet, Achtsamkeit im Spiel zu erproben. Denn genau das ist es, wir „erproben“ etwas für den Ernstfall. Dadurch, dass es aber „nur“ ein Spiel ist, fällt es uns wesentlich leichter darauf einzulassen.
Liebe Grüße
Sabine