Menü Schließen

Als Lehrkraft in die Lerntherapie – so gelingt dir dein Start

Sabine Landua in ihrer Lerntherapiepraxis. Text: als Lehrkraft in der Lerntherapie starten

Immer mehr Lehrkräfte stellen sich gerade die gleiche Frage: Soll das wirklich alles gewesen sein?
Volle Klassen, steigende Anforderungen, wenig Zeit für individuelle Förderung – viele erleben den Schulalltag als kräftezehrend und wenig sinnstiftend. Vielleicht spürst du auch: So wie es läuft, willst du nicht weitermachen.

So ging es mir auch.

Ich war über 15 Jahre Lehrerin, mit ganz viel Herzblut und persönlichem Einsatz. Aber das System Schule ließ mir kaum noch Raum für das, was mir eigentlich wichtig war: meine Schüler wirklich zu erreichen, individuell zu unterstützen, mit Freude und Wirksamkeit zu arbeiten. Stattdessen immer neue Themen, die in die Schulen Einzug hielten, ständig neue Lehrwerke, kaum Teamarbeit, ständige Vertretungen und Doppelklassenführungen und zusätzlich ein Fördersystem, das diesen Namen kaum verdiente. Irgendwann wurde mir klar: Ich will das so nicht mehr.

Heute arbeite ich als Lerntherapeutin und ja, der Wechsel war ein großer Schritt. Es war eine Entscheidung, die über mehrere Jahre reifen musste. Zu Beginn waren da viele Zweifel und Unsicherheiten, aber Schritt für Schritt war alles machbar. Und vor allem: Es hat sich gelohnt. Heute habe ich eine wunderbare Arbeit, die mich erfüllt und die ich ganz selbstbestimmt gestalten kann.

In diesem Artikel zeige ich dir, was du für einen gelingenden Start brauchst, wenn du mit dem Gedanken spielst, selbst in die Lerntherapie zu wechseln.

Warum Lehrkräfte gute Voraussetzungen mitbringen – aber eben nicht alles

Stärken von Lehrkräften und wo der Lerntherapie-Blick beginnt

Lehrkräfte bringen für die Arbeit in der Lerntherapie viele wichtige Stärken mit: Sie haben didaktisches und methodisches Know-how, ein solides Fachwissen in ihren studierten Fächern und Erfahrung im Umgang mit heterogenen Lerngruppen. Auch das Gespür für Kinder, die in ihrem Lernverhalten auffallen, ist oft schon da. Doch der Blick bleibt meist stark unterrichtsorientiert, geprägt von schulischen Zielvorgaben, Lehrplänen und Leistungsbewertungen.

Gerade im Bereich der Lerntherapie zeigt sich hier eine deutliche Lücke. Kenntnisse über Basiskompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen, ein diagnostischer Blick auf individuelle Lernvoraussetzungen und der Aufbau kleinschrittiger, wirksamer Förderprozesse fehlen oft oder sind nur grob angelegt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das auch bei Grundschul- und Sonderschullehrkräften der Fall ist. Zu Beginn meiner Selbstständigkeit habe ich mich sehr an der schulischen Förderung orientiert und für die Förderung schulisches Material genutzt. Das was ich angeboten habe, war eher eine Lernförderung, in die Lerntherapie bin ich erst nach und nach hineingewachsen. Diagnostik ist im schulischen Kontext meist auf Schulleistungstests begrenzt und bleibt häufig defizitorientiert. Hier musste ich viel dazulernen, um eine sinnvolle Förderdiagnostik durchführen und interpretieren zu können.

Neue Rolle, neue Herausforderungen – Lerntherapie ist mehr als Förderung

Und dann ist da noch ein Punkt, der oft unterschätzt wird, aber entscheidend ist, wenn du als Selbstständige von der Lerntherapie leben möchtest: das unternehmerische Denken. Viele Lehrkräfte, die in die Lerntherapie wechseln, bringen fachlich und pädagogisch sehr viel mit, stehen dann aber plötzlich vor ganz neuen Fragen: Wie kalkuliere ich einen realistischen Stundenpreis? Wie behalte ich den Überblick über meine laufenden Kosten, Steuern und Versicherungen? Wie viel Zeit und Energie brauche ich für die Organisation, Elternkommunikation und Dokumentation neben der eigentlichen Arbeit mit den Schülern? Solche Fragen betreffen übrigens nicht nur Selbstständige. Auch wer eine Anstellung anstrebt, muss sich mit Themen wie Gehaltsverhandlungen auseinandersetzen – etwas, das im Lehrerberuf bislang kaum eine Rolle spielte.

Wenn du mit öffentlichen Trägern wie dem Jugendamt oder über das Bildungs- und Teilhabepaket arbeitest, kommen weitere Anforderungen hinzu. Du musst deine fachliche Expertise überzeugend vertreten und deine Konditionen professionell aushandeln. Auch hier braucht es Selbstsicherheit und unternehmerisches Grundwissen.

Wer hier ohne Grundwissen oder Strategie startet, bleibt schnell in der Nebenberufsfalle stecken oder gibt frustriert wieder auf. Immer wieder höre ich von Kolleginnen, dass sie freie Plätze haben, die sie nicht besetzen können. Gute Arbeit ist die Basis für Empfehlungen und darüber besetze ich heute noch den Großteil meiner Plätze. Gute Arbeit allein reicht aber nicht aus, wenn es sich nicht herumspricht. Sichtbarkeit, eine klare Positionierung und ein tragfähiges Praxismodell sind ebenso wichtig wie die Arbeit mit dem Kind oder Jugendlichen. Wenn du lernst, dich selbst und dein Angebot gut zu organisieren und dich Schritt für Schritt in deine Unternehmerinnenrolle einzufinden, kann daraus eine erfüllende und stabile Berufsalternative für dich entstehen. Ich bin auf jeden Fall sehr froh, dass ich mich vor vielen Jahren auf den Weg gemacht habe und ich lerne täglich noch dazu.

Was dir wirklich fehlt und was du brauchst

Eine der häufigsten Fragen, die mir in Beratungsgesprächen gestellt wird, lautet: „Brauche ich als Lerntherapeutin ein Zertifikat?“ Meine Antwort darauf ist zweigeteilt:

Erstens: Rein rechtlich gesehen – nein. Die Berufsbezeichnung „Lerntherapeut“ ist in Deutschland nicht geschützt. Das heißt, jeder darf sich so nennen, unabhängig von Ausbildung oder Qualifikation. Anders ist das beispielsweise in Österreich, wo es klare Vorgaben gibt.
Zweitens: Aus fachlicher und beruflicher Sicht – ja, unbedingt. Ein Zertifikat ist ein wichtiger Qualitätsnachweis. Es signalisiert Eltern, dass du dich professionell weitergebildet hast und über fundiertes Wissen verfügst. Besonders, wenn du mit öffentlichen Stellen wie dem Jugendamt zusammenarbeiten willst, ist ein Zertifikat unerlässlich.

Doch mehr noch als ein Zertifikat brauchst du vor allem störungsspezifisches Wissen, also fundierte Kenntnisse über LRS und Rechenschwäche. Du brauchst ein solides Verständnis der Basiskompetenzen, die Voraussetzungen für Lesen, Schreiben und Rechnen sind, sowie die Fähigkeit, eine gezielte Förderdiagnostik und -planung durchzuführen. Es geht darum, die Lernvoraussetzungen eines Kindes nicht nur grob einzuschätzen, sondern differenziert zu analysieren: Wo steht das Kind wirklich? Welche Grundlagen fehlen und was sind die nächsten sinnvollen Schritte? Dieses fachliche Fundament ist die Basis deiner Arbeit als Lerntherapeutin. Es entscheidet darüber, ob du Kinder nachhaltig fördern kannst oder ob du am Ende doch wieder nur das schulische „Gießkannenprinzip“ reproduzierst.

Auch wenn du es aus dem Schulalltag gewohnt bist, viele Fächer parallel zu unterrichten und dich regelmäßig in neue Inhalte einzuarbeiten, gilt: Weniger ist manchmal mehr. Überlege dir gut, worin du wirklich stark bist und wo deine Leidenschaft liegt. Wähle zu Beginn einen klaren fachlichen Schwerpunkt – Rechenschwäche oder LRS – und definiere auch die Altersgruppe, mit der du arbeiten möchtest. So baust du gezielt Expertise auf, entwickelst wirksame Förderkonzepte und gewinnst schneller das Vertrauen von Eltern. Mit einem klaren Profil wird dein Einstieg nicht nur leichter, sondern auch nachhaltiger. Susanne Seyfried hat in ihrem Artikel Zeit für Fokus: Als Lerntherapeut weniger verzetteln & mehr bewirken tolle Tipps zusammengestellt, um den eigenen Fokus zu finden.

Fundierte Ausbildung statt Schnellstart

Natürlich kannst du dir vieles selbst aneignen: Es gibt Bücher, Onlinekurse und Fachartikel, in denen du lerntherapeutisches Wissen nachlesen kannst. Doch meine Erfahrung zeigt: Ein paar Fortbildungen oder ein reines Selbststudium reichen in der Regel nicht aus, um wirklich fundiert und wirksam in der Lerntherapie zu arbeiten. Vor allem nicht, wenn du mit dem Gedanken spielst, dich langfristig selbstständig zu machen. Daher habe ich mich nach 5 Jahren Selbstständigkeit und vielen einzelnen Fortbildungen zu LRS und Rechenschwäche doch noch für ein umfassendes Studium der Lerntherapie an der TUCed entschieden.

Manche absolvieren eine Ausbildung nur, um das Zertifikat in der Hand zu halten – doch das greift zu kurz. Denn eine gute lerntherapeutische Qualifikation sollte mehr leisten. Sie sollte dir helfen, deine Haltung zu entwickeln, die Theorie mit der Praxis zu verknüpfen und dein professionelles Handeln kontinuierlich zu reflektieren. Genau das ist es, was in einem durchdachten Zertifikatslehrgang (oder einem entsprechenden Studium) passiert. Du gehst Schritt für Schritt, begleitet von erfahrenen Dozentinnen und wächst mit jeder Fallbesprechung, jeder Hospitation und jedem Austausch im Kurs.

Ich erinnere mich noch gut an eine Aussage meiner Dozentin an der TUCed:
„Machen Sie einen großen Bogen um die Materialien der Schulbuchverlage.“ Damals hat mich das irritiert – heute weiß ich, wie recht sie hatte. Schulische Materialien sind selten geeignet, um Kinder mit LRS oder Rechenschwäche gezielt zu fördern. Sie setzen oft viel zu spät an, überfordern oder langweilen, weil sie eben nicht auf die zugrundeliegenden Basiskompetenzen schauen und selten entwicklungspsychologisch aufgebaut sind.

Wenn du wirklich ins lerntherapeutische Arbeiten eintauchen willst, brauchst du eine Ausbildung, die über das Offensichtliche hinausgeht. Eine, die dir das notwendige Hintergrundwissen vermittelt und dich zugleich in deiner Persönlichkeit stärkt.

Mein Fazit

Der Schritt aus dem Schuldienst in die Lerntherapie braucht Mut – vor allem den Mut, dich auf eine neue Rolle einzulassen. Du verlässt vertrautes Terrain und begibst dich in ein neues Feld, das zwar viel pädagogische Erfahrung nutzt, aber andere Perspektiven erfordert: mehr Individualität, mehr Tiefe, mehr therapeutisches Feingefühl.

Was du unbedingt brauchst? Die Bereitschaft, dazuzulernen, fachlich, methodisch und persönlich. Offenheit für neue Denkweisen, einen Blick über den schulischen Tellerrand hinaus und vor allem Lust auf die fundierte, individuelle Arbeit mit Kindern. So begleitest du Kinder dort, wo sie wirklich stehen und stärkst sie genau da, wo Schule oft nicht mehr weiterkommt.

Wenn du für dich mehr Klarheit gewinnen willst, wo du gerade stehst und wie dein nächster Schritt in der Lerntherapie aussehen kann oder wenn du dir mehr Sicherheit für deine Praxis wünschst – dann ist mein Lerntherapeutencoaching genau das Richtige für dich.

Coaching für Lerntherapeuten

…und die, die es werden möchten.

In meinem 1:1-Coaching unterstütze ich dich genau da, wo du gerade stehst: Für ein gutes Gefühl in der Praxis.

Und wenn du dich mit anderen Lerntherapeutinnen vernetzen möchtest, schau gern im Lerntherapeutennetzwerk vorbei. Der Austausch mit Kolleginnen ist für mich der stärkste Motor für meine Entwicklung – und ich lerne täglich dazu.

Ähnliche Beiträge

2 Kommentare

  1. Susanne Seyfried

    Liebe Sabine,

    danke für diesen wertvollen Blogbeitrag. In meinen Beratungen erlebe ich es immer wieder: Viele Lehrkräfte gehen zunächst davon aus, dass Lerntherapie und schulische Förderung ganz ähnliche Felder sind – und sind dann überrascht, wie grundlegend anders die lerntherapeutische Haltung und Arbeitsweise tatsächlich ist. Die Freiheit, individuell zu arbeiten, ermöglicht es, gezielt auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen und ihnen nachhaltig zu helfen. Viele sind dankbar, diesen Weg eingeschlagen zu haben, merken aber auch, dass das lerntherapeutische Wissen und die Herangehensweise noch einmal ganz andere sind, als sie es aus dem Lehramtsstudium kennen. Je tiefer man in die Lerntherapie einsteigt, desto mehr erkennt man, wie viel man wirklich bewegen kann.
    So entsteht eine Tätigkeit, die nicht nur beim Lernen unterstützt, sondern den Kindern auch immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

    Danke für deinen inspirierenden Beitrag!

    • Sabine Landua

      Liebe Susanne,

      ganz lieben Dank für dein tolles Feedback! Der Anfang ist tatsächlich nicht einfach, auch wenn man suggeriert bekommt, als Lehrkraft ja alles schon zu können. Aber wie du sagst: Es ist ein Weg, den man geht. Wichtig ist es, den ersten Schritt zu machen und sich dann kontinuierlich weiter zu entwickeln. Auch ich lerne täglich Neues dazu – dank des tollen Austauschs mit meinen Kolleginnen 😉

      Liebe Grüße
      Sabine

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner