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Rechtschreibung und ich – Schreibgefühl ist nicht alles

Der Herbst steht im Zeichen der Blogparaden. Blogger schreiben zu einem Thema aus vielen unterschiedlichen Blickwinkeln – eine spannende Aktion. Kerstin Salvador hat zu ihrer Blogparade Rechtschreibung und ich – (k)eine Liebesgeschichte aufgerufen und kurz vor knapp habe ich doch noch meinen Artikel fertiggestellt. Danke an Anke Cras für den Anstupser!

Das Wort „sieht gut aus“

In meiner Schulzeit war ich kein Freund von Rechtschreibung. Ich war zwar ganz ok darin, Diktate waren mir aber immer ein Graus. Ich kannte eigentlich keine Rechtschreibregeln und schrieb immer eher nach Gefühl. Wenn ich mir unsicher war, schrieb ich mir das Wort in verschiedenen Versionen auf und nahm dann die Version, die „am besten aussah“.  

Die „neue“ Rechtschreibung

Mit der „neuen Rechtschreibung“, die mittlerweile auch schon ziemlich alt ist, hat mich mein Schreibgefühl verlassen und ich musste mich erstmals mit Regeln beschäftigen. Ich habe mich lange nicht mit den neuen Schreibungen anfreunden können und in der Übergangsregelung schrieb ich mal so, mal so. In meiner Abschlussarbeit an der Universität gab es dann aber die Vorgabe, die „neue Rechtschreibung“ zu verwenden. Also musste ich mich zwangsläufig mehr damit beschäftigen. Ich musste viel nachschlagen und der DUDEN (damals noch als Buch) wurde zu meinem ständigen Begleiter. Doch bis sich mein Schreibgefühl wieder einstellte, dauert es noch viele Jahre.

Ist Rechtschreibung heute noch relevant?

Angesichts der heutigen technischen Hilfsmittel frage ich mich immer wieder, ob die Rechtschreibung wirklich noch so bedeutsam ist. Verliert es an Bedeutung richtig schreiben zu können, weil ich Text zu Speech nutzen kann und das Programm dann automatisch richtig schreibt oder ich KI nutzen kann, um Texte generieren zu lassen? In Zukunft wird es sicher immer weniger Menschen geben, die auf das Wissen um die richtige Schreibung angewiesen sind. Solange dies aber in unseren Schulen nicht ankommt, ist das Wissen um die richtige Schreibung zumindest für Schüler relevant. Solange Rechtschreibung weiterhin als Maßstab zur Bewertung von Leistungen angewandt wird und Schüler Punktabzug erhalten, wenn sie in Klausuren zu viele Rechtschreibfehler machen, ist und bleibt die Rechtschreibung ein relevanter Bereich. 

Rechtschreibregeln können helfen

Heute arbeite ich mit Schülern, die große Schwierigkeiten mit der richtigen Schreibung haben. Das „Schreibgefühl“, auf das ich mich als Schülerin verlassen habe, fehlt ihnen und sie schreiben das gleiche Wort mal so und mal anders. Erst im Rahmen dieser Arbeit habe ich mich explizit mit Rechtschreibregeln beschäftigt und festgestellt, dass es bei allen Ausnahmen doch einige recht nachvollziehbare Regeln gibt, an denen man sich orientieren kann.

Mit meinen Schülern versuche ich einen logischen Aufbau zu erarbeiten und nach dem lautgetreuen Schreiben zunächst den orthografischen Regelbereich zu sichern. Erst danach beschäftigen wir uns mit dem Merkbereich und Ausnahmeschreibungen. Leider nimmt die Schule bzw. nehmen viele Lehrwerke auf die wissenschaftlich gesicherte Abfolge des Rechtschreiberwerbs wenig Rücksicht und muten Kindern zu, Wörter nach Inhaltsbereichen gesammelt als „Lernwörter“ zu lernen. Dass das bei vielen Schülern zu Verwirrung führt, ist nicht verwunderlich und viele (auch Erwachsene) sind dankbar, wenn sie eine Struktur in der Rechtschreibung entdecken können.

Ein tolles Erlebnis dazu hatte ich bei der Erarbeitung der Schreibung des “ß“ mit einem Schüler im Online-Unterricht. Die Mutter saß wohl mit im Zimmer und hörte mit einem Ohr zu. Im Anschluss kam sie noch einmal ins Bild, um mir zu sagen, wie begeistert sie war, endlich verstanden zu haben, warum „Straße“ eben nicht mit Doppel-s geschrieben wird. 

Meinen Schülern versuche ich zu vermitteln, dass es schon ein erster Schritt ist, wenn wir die häufigsten Wörter richtig schreiben können und wir Sonderschreibungen in Wörtern, die wir fast nie verwenden, getrost später lernen oder nachschlagen können. In einem Rechtschreibtest für Klasse 5/6 wird die Schreibung der Wörter „Philosoph“ und „Phänomen“ abgefragt. Da stelle ich mir schon die Frage nach der Sinnhaftigkeit.

Rechtschreibung heute

Richtig schreiben zu können, ist meiner Meinung nach auch heute noch relevant und jeder sollte zumindest orthografische Grundregeln beherrschen. Ein fehlendes Schreibgefühl kann ich aber auch durch das Wissen um Regeln ausgleichen. Ausnahmeschreibungen kann ich nachgeschlagen. Auch mich verlässt mein Schreibgefühl regelmäßig bei bestimmten Wörter und ich muss nachschlagen. Auch Kindern sollte deutlich gemacht werden, dass das normal ist. Heute nutze ich dazu allerdings den DUDEN in seiner digitalen Form, was natürlich deutlich einfacher ist als das mühsame Nachschlagen im dicken Buch. Doch auch hier hat mir ein Schüler vor Kurzem einen neuen Weg aufgezeigt. Auf die Frage, wie er das denn macht, wenn er nicht weiß, wie ein Wort geschrieben ist antwortete er: „Ich frage einfach Siri und die buchstabiert dann.“

So ganz in der Moderne angekommen bin ich dann doch noch nicht. Ich nutze weder KI, um Texte zu generieren, noch nutze ich Text to Speech – oder höchstens ganz selten, um Chat-Nachrichten zu schreiben. Auch andere technische Hilfsmittel, wie z.B. Siri oder Alexa, nutze ich nicht in Bezug auf Rechtschreibung. Mir ist aber bewusst, dass künftige Generationen das anders machen werden und so das Schreibgefühl, die Fertigkeit, ohne Hilfen richtig schreiben zu können, außerhalb von Schule mehr und mehr an Bedeutung verlieren wird.

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