Du möchtest Online-Lerntherapie anbieten oder zumindest ausprobieren? Super! Doch jetzt kommen die praktischen Fragen: Welche Materialien brauche ich? Wie vermeide ich Ablenkung? Und wie dokumentiere ich Fortschritte?
Oft sind es genau diese ungeklärten Details, die Lerntherapeutinnen zögern lassen. Meine Erfahrung aus über 5 Jahren Online-Lerntherapie zeigt: Mit den richtigen Methoden und angemessener Vorbereitung kann Online-Lerntherapie genauso wirksam sein wie Präsenztherapie, das bestätigen auch neue Studien (Verwimp et al., 2024). Und für manche Schüler ist sie sogar motivierender.
Der Schlüssel liegt nicht im Setting, denn gute Online-Lerntherapie ist in erster Linie gute Lerntherapie und hängt von der Person des Lerntherapeuten ab! Wie gestalten wir Online-Lerntherapie so, dass sie bestmöglich funktioniert? In diesem Artikel beantworte ich fünf Fragen zur Umsetzung, die mir häufig gestellt werden – mit konkreten Tipps, die du direkt in deiner Arbeit anwenden kannst.
Online-Lerntherapie – eine echte Chance
Meine Online-Lerntherapie unterscheidet sich kaum von der Lerntherapie in Präsenz. Online-Lerntherapie kann für viele Kinder eine echte Chance sein – besonders, wenn wohnortnahe Angebote fehlen. Mit guter Vorbereitung, klarer Struktur und Freude an der Arbeit funktioniert sie genauso lebendig wie jede Präsenzstunde.
Schlussendlich stellt sich die Frage: Kann dieses Kind in der Online-Lerntherapie Fortschritte machen? Und für viele Schüler ist die Antwort ein klares Ja – wenn wir die Rahmenbedingungen entsprechend gestalten.
Welche Materialien sind für die Online-Lerntherapie geeignet?
In der Online-Lerntherapie nutze ich im Wesentlichen die Materialien, die ich auch in der Präsenz-Lerntherapie nutze, denn Online-Lerntherapie heißt nicht, dass alles ausschließlich über den Computer stattfinden muss. Ich bin der Meinung, dass Schüler in der Lerntherapie aktiv sein müssen. Gerade wenn es um das Schreiben geht, ist das Schreiben mit der Hand unerlässlich. Meine Online-Schüler erhalten daher von mir immer auch Material, dass sie zuhause mit Stift und Papier bearbeiten können. Darüber hinaus schicke ich meinen Schülern alle Materialien zu, die wir für die nächste Zeit brauchen: z. B. einen kleinen Block für Notizen, Klebezettel, manchmal auch Legematerial und eben die neuen Arbeitsblätter. Diese sind in Mappen so sortiert, dass ich dem Schüler genau sagen kann, wo das benötigte Material zu finden ist. Der Ordner hat damit eine klare Struktur, was die Kommunikation erleichtert und Zeit beim Suchen spart.
Je nach Förderschwerpunkt benötigen die Schüler weitere Materialien, die von den Eltern besorgt werden müssen. Für den Aufbau des mathematischen Grundverständnisses ist es z. B. wichtig, dass Schüler mit Material handeln können. Dazu benötigen sie Legematerial, wie Legeplättchen oder strukturiertes Material wie Würfelschiffe, um Handlungen auch vor dem Computer nachvollziehen zu können.
Du möchtest dich beraten lassen, wie du Online-Lerntherapie am besten umsetzen kannst? Lass uns in einem Kennenlerngespäch zu meinem Coaching für (angehende) Lerntherapeuten klären, wie wir zusammen arbeiten können.
Welche Spiele kann man online gut spielen?
Lernspiele sind ein wesentlicher Bestandteil der Lerntherapie, denn so lassen sich wichtige Inhalte ganz nebenbei und mit Spaß üben. Auch in der Online-Lerntherapie sind Spiele ein wichtiger Bestandteil. Alle Spiele mit Spielplan lassen sich auch online gut spielen. Dabei liegt der Spielplan auf dem Whiteboard und wir können unsere virtuellen Spielfiguren auf dem Spielplan ziehen. Liegt der Spielplan unter der Dokumentenkamera, muss ich als Lerntherapeutin Figuren ziehen oder Plättchen legen. Damit wir uns darüber gut verständigen können, habe ich ein Gitternetz über den Spielplan gelegt (z.B. bei Doppolino), so dass mir der Schüler genau das Feld sagen kann, auf den ich das Plättchen ablegen soll (z.B. B 5). Das funktioniert sehr gut.
Auch Kartenspiele, bei denen nicht zu viele Karten benötigt werden, können unter einer Dokumentenkamera gut gespielt werden. Meine Schüler mögen z. B. Dobble sehr gerne.
Bei allen Spielen achte ich darauf, dass meine Schüler immer etwas zu tun haben. In der Regel übernehmen sie das Würfeln – es sei denn, das Spiel benötigt Spezialwürfel (wie z.B. Schlag den Tigro). Dann würfle ich unter der Dokumentenkamera.
Wie gestalte ich die Stunden so, dass sie nicht nur „Bildschirmzeit“ sind?
Ein wenig davon ist in der Beantwortung der beiden ersten Fragen schon angeklungen. Wie auch in Präsenz versuche ich, die Lerntherapie online abwechslungsreich zu gestalten. Da meine Schüler auch ausgedruckte Arbeitsblätter von mir erhalten, wechseln sich die Arbeit auf dem Bildschirm und auf Papier ab. Zusätzlich haben viele meiner Schüler Legematerial zu Hause, das wir für die Veranschaulichung nutzen. So wechseln sich auch online Phasen der Bildschirmarbeit mit der Arbeit am konkreten Material ab. In den Stunden plane ich auch bewusst kleine Aktivierungspausen ein. Das kann eine kurze Dehnübung sein, etwas holen oder die Hausaufgaben an einem bestimmten Ort ablegen oder ein Mini-Spiel. Dies stellt eine Pause vom anstrengenden Lerninhalt dar und ermöglicht es, anschließend konzentriert weiterzuarbeiten.
Diesen Ablauf mögen auch meine Schüler sehr gerne:
„Ich mag Lerntherapie, weil es Spaß macht. Wir reden auch viel und machen immer Pausen zwischen den Übungen. Und wir spielen viele Spiele.“
Schülerin, 5. Klasse
Wie sieht eine konkrete Online-Lerntherapie-Stunde aus?
Eine typische Online-Lerntherapie-Stunde läuft ähnlich strukturiert ab wie in Präsenz. Nach der Begrüßung starten wir mit einem kurzen Check-in: „Wie geht’s dir heute?“ „Was hat dir heute am meisten Spaß gemacht?“ Dann suchen wir nach besonderen Erfolgsmomenten der letzten Woche und ergänzen diese im Konfettiglas. Anschließend besprechen wir die Hausaufgaben und wiederholen kurz Inhalte der letzten Stunde, meistens in einem Spiel. Danach folgt die Erarbeitung des neuen Inhalts, mit einer Mischung aus Arbeit auf der virtuellen Tafel, Handeln mit konkretem Material und kleinen Bewegungs- oder Spielpausen.
Zum Abschluss ergänzen wir oft noch einen Erfolg aus der Lerntherapie im Konfettiglas. Diese Rückschau hilft, Lernfortschritte sichtbar zu machen und die Eigenwahrnehmung der Kinder und Jugendlichen zu stärken.
Wie dokumentiere ich Fortschritte in der Online-Lerntherapie?
In der Online-Lerntherapie dokumentiere ich die Fortschritte meiner Schüler in erster Linie über die Arbeitsblätter, die sie im Laufe der Förderung bearbeiten. Alle Materialien werden in einer Mappe abgeheftet, die ich gemeinsam mit dem Kind strukturiere. So entsteht ganz nebenbei ein sichtbares Lern-Tagebuch. In der letzten Stunde der Lerntherapie blättern wir die Mappe immer noch einmal durch, und auch zwischendurch blättern die Schüler darin und freuen sich, was sie schon alles gelernt haben.
Am Ende jeder Stunde notiere ich mir zu meiner Stundenplanung kurz die wichtigsten Beobachtungen: Wie hat das Kind mitgearbeitet? Was war heute besonders leicht oder schwierig? Diese Notizen helfen mir, den Verlauf im Blick zu behalten und die nächsten Stunden gezielt zu planen.
Außerdem spreche ich bei Online-Lerntherapie häufiger kurz mit den Eltern – bei manchen Schülern sogar regelmäßig in den letzten 5 Minuten der Lerntherapie-Stunde. Ich gebe eine kurze, konkrete Rückmeldung, was gut geklappt hat und wo die Eltern zuhause unterstützen können. Diese Gespräche sind online natürlich viel leichter umzusetzen, denn in der Regel ist ein Elternteil zu Hause, wenn sich die Schüler zur Lerntherapie einloggen. So erleben die Eltern die Entwicklung ihres Kindes viel besser miterleben und können entsprechend unterstützen.
Wenn du selbst überlegst, online zu starten: Fang klein an, teste es mit einem vertrauten Schüler und entwickle dein Konzept Schritt für Schritt weiter. Wenn du hierbei Unterstützung möchtest, lass uns in einem Kennenlerngespäch zu meinem Coaching für (angehende) Lerntherapeuten klären, wie wir zusammen arbeiten könnten.


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